Möösli-Treff: «Uns muss es weiterhin geben»

Bieler Tagblatt Artikel vom 01.09.2022 https://ajour.ch/story/m%C3%B6%C3%B6slitreff-uns-muss-es-weiterhin-geben-/24840

Der Möösli-Treff ist seit Anfang der 80er-Jahre ein wichtiger Treffpunkt für alle Generationen. Verliert der Verein die finanzielle Unterstützung der Stadt, ist er in der Existenz bedroht.

Wer im Möösli-Quartier aus dem Bus steigt und dort durch die Strassen geht, der wird unerwartet gegrüsst. In diesem Bieler Stadtteil, einem früheren Arbeiterquartier, das heute auch bei Familien besonders beliebt ist, fühlt man sich ein wenig wie in einem Dorf. Hier gliedern sich die kleinen Vorgärten der alten Reihenhäuser des Bieler Architekten Eduard Lanz aneinander und Kinder fahren auf der Strasse Velo. Der Wald ist nur einen Steinwurf entfernt.

Doch es geht nicht in den Wald, sondern an den Beundenweg 21. Dort wartet Quartierbewohnerin Gabriela de Vries auf den Besuch. Sie steht vor einem Gebäude, das, bevor es zum Treffpunkt fürs ganze Quartier wurde, ein Coop war. Seit den frühen 80er-Jahren befindet sich hier der Möösli-Treff, dessen Vereinspräsidentin Gabriela de Vries seit einem Jahr ist.

De Vries selbst ist ins Möösli gezogen, als ihre Kinder noch klein waren. «Nun möchte ich dem Quartier etwas zurückgeben», sagt sie. Jetzt steht die Übersetzerin vor einer grossen Herausforderung: Die Stadt will dem Verein im Zuge ihres Sparprogramms «Substance 2030» die Subventionen streichen. 20’000 Franken im Jahr sollen ab 2023 wegfallen. Geld, mit dem heute unter anderem eine sogenannte Koordinatorin bezahlt wird, die in einer 30-Prozent-Stelle arbeitet und die Anlässe im Möösli-Treff organisiert.

Als Schriftsteller Franz Hohler in den Treff kam

Der Möösli-Treff ist seit 40 Jahren ein wichtiger Begegnungsort, der für Gemeinschaft und den nachbarschaftlichen Austausch steht. Sei es das Fussball-Turnier auf der Schuttmatte, die Bärndütsch-Lesung, der Raclette-Abend – das Mandala-Malen oder das Lotto: Für jeden hat es etwas dabei. «Unser Angebot richtet sich an alle Generationen im Quartier und wird von Freiwilligen organisiert», sagt Gabriela de Vries, die für den Treff kämpft: «Uns muss es weiterhin geben», sagt sie.

Im Innern des Gebäudes hängen Fotos aus den Anfängen des Vereins. Sie zeigen ein Pingpong-Turnier in den 80er-Jahren, ein Jass-Turnier und einen Muki-Träff. Gabriela de Vries erzählt von einem ausrangierten Bus der Verkehrsbetriebe Biel, der zu Beginn als Vereinslokal diente. Auf einem Foto ist der Schriftsteller Franz Hohler zu sehen, der an einer Jubiläumsfeier als Ehrengast ins Möösli kam.

Ein Leistungsvertrag muss erfüllt werden

Beim Quartierverein ist man überzeugt: Ohne Subventionen geht es nicht. «Mit der geplanten Subventionsstreichung könnte der Verein in der jetzigen Form nicht weiterbestehen», sagt de Vries. Neben den Ausgaben für die Koordinationsstelle schlagen auch die Mietausgaben für das Lokal des Treffs zu Buche – das Gebäude gehört der Stadt Biel. Könnte der Verein sich das Lokal nicht mehr leisten, müsste er ein anderes Lokal suchen, was laut de Vries im Möösli schwierig ist. «Würde stattdessen die Koordinationsstelle wegfallen, würde sich das Angebot des Vereins stark reduzieren, da der gesamte Verwaltungsaufwand von Freiwilligen getragen werden müsste», sagt de Vries weiter. Entweder fehle also der Begegnungsort oder die Stelle, die der Organisation den Rücken stärke. Dabei hat der Quartiertreff auch einen Leistungsvertrag zu erfüllen. Sprich: Die 20`000 Franken gibt es nicht umsonst. Der Treff muss gewisse Leistungen erbringen und darüber rapportieren. Gemäss Leistungsvertrag mit der Stadt bietet der Verein die Möglichkeit für Begegnungen, Zusammenarbeit und Nachbarschaftshilfe, was wiederum ein Beitrag zu einer guten Wohn- und Lebensqualität im Quartier sei.

Die Stadt hat den Verein über die Sparpläne informiert und diese damit begründet, dass andere Quartierleiste auch keine Subventionen erhalten würden. De Vries sagt dazu: «Vor vier Jahrzehnten erkämpfte eine engagierte Gründergeneration nach langer Verhandlung mit der Stadt nicht nur den Möösli-Treff als Begegnungsort, sondern auch den Leistungsvertrag mit der Stadt Biel.» Deshalb wolle man das nicht so schnell aufgeben.

Ein Komitee verspricht Hilfe

Unterdessen ist es kurz vor zwölf Uhr am Mittag: Eine ältere Quartierbewohnerin kommt zur Tür des Möösli-Treffs herein und begrüsst Gabriela de Vries wie eine alte Bekannte. Sie sei gerade in Therapie gewesen, müsste nun eigentlich ruhen: «Doch das Zmittag will ich mir nicht entgehen lassen», sagt sie. Einmal im Monat kocht hier eine Gruppe von Frauen für die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers. An diesem Tag gibt es Lasagne. 32 Lasagnen werden serviert. Vor Corona seien es jeweils noch zehn Portionen mehr gewesen. Langsam ziehe es inzwischen wieder an, sagt eine der Köchinnen. Vom Zmittag profitieren jeweils nicht nur einzelne Personen, sondern auch ganze Familien.

Für den Verein setzt sich auch das Komitee «Bienne pour tous – Biel für alle» ein, das sich in der aktuellen Budget-Debatte laut eigenen Angaben für eine lebendige und vielfältige Stadt starkmacht. Die vorgeschlagenen Sparmassnahmen der Stadt würden wichtige Angebote für Junge, Kinder und Familien und die Quartierarbeit für alle Generationen abbauen, heisst es. Gemeint ist damit der Möösli-Treff, aber nicht nur. Ziel sei es, für ein gerechtes Budget zu sorgen, das zuerst in den Stadtrat kommen und dann im November vom Volk abgesegnet werden wird.